Wofür ist das Finanzgericht zuständig?

 

Das Finanzgericht gewährt Rechtsschutz in Steuer- und Kindergeldangelegenheiten. An das Finanzgericht können sich Bürgerinnen und Bürger wenden, die meinen, ihr Steuerbescheid sei falsch oder die Familienkasse verwehre ihnen zu Unrecht Kindergeld. Auch Unternehmen oder Unternehmer können sich vor dem Finanzgericht gegen Maßnahmen der Finanzbehörden zur Wehr setzen. Das Finanzgericht entscheidet außerdem darüber, ob die streitige Steuer trotz eines laufenden Einspruchs- oder Klageverfahrens bezahlt bzw. von der Familienkasse zurückgefordertes Kindergeld erstattet werden muss. Die Bestrafung von Steuersündern gehört hingegen nicht zu den Aufgaben des Finanzgerichts.


Wo gibt es allgemeine Informationen?


Für allgemeine Informationen über den Rechtsweg zum Finanzgericht kann beim Finanzgericht Nürnberg zu den allgemeinen Öffnungszeiten telefonisch (Tel. Nr. 0911/27076-0) oder persönlich Kontakt aufgenommen werden.


Wie kann eine Klage oder Antrag eingelegt bzw. gestellt werden?


Die Klage/der Antrag ist bei dem Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts zu erheben. Allerdings kann nur die Klage/der Antrag selbst zur Niederschrift erklärt werden, nicht aber die Begründung. Dabei kann zwischen den verschiedenen Kommunikationswegen (Abgabe vor Ort, per Post, per Telefax, per elektronischem Rechtsverkehr) gewählt werden.

Zum Ablauf des Verfahrens.


Welche Angaben muss eine Klage enthalten?


Die Klage muss die Klägerin bzw. den Kläger und den Beklagten (i.d.R das Finanzamt bzw. die Familienkasse, das bzw. die die Einspruchsentscheidung erlassen hat) bezeichnen. Es muss außerdem deutlich werden, gegen welchen Bescheid (z.B. Einkommensteuerbescheid 2020 vom 3. Juni 2021) sich die Klage richtet. Wichtig ist, dass die Klageschrift eigenhändig unterschrieben ist, und zwar entweder von der Klägerin bzw. dem Kläger selbst oder vom Bevollmächtigten. Eine kurze Beschreibung, warum die Klägerin bzw. der Kläger den Bescheid für falsch hält, ist hilfreich. Allerdings kann die Klagebegründung auch später nachgeholt werden.

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Kann das Finanzgericht die streitige Steuer heraufsetzen?


Eine „Verschlechterung“ kann sich durch das gerichtliche Verfahren im Ergebnis nicht ergeben, d.h. die streitige Steuer kann nicht erhöht werden. Auch eine weitergehende Versagung von Kindergeld ist ausgeschlossen (sog. Verböserungsverbot). Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass im Falle eines Erfolgs für das Streitjahr durch die Finanzbehörde steuerlich nachteilige Folgeänderungen in anderen Jahren gezogen werden.


Kann ich gegen einen Steuerbescheid direkt Klage beim Finanzgericht erheben?


Hält der Steuerpflichtige seinen Steuerbescheid für fehlerhaft, muss er in der Regel vor der Klageerhebung beim Finanzgericht ein Einspruchsverfahren beim Finanzamt durchlaufen. Im Einspruchsverfahren überprüft das Finanzamt selbst die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides. Der Einspruch muss schriftlich innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Steuerbescheides beim Finanzamt eingehen. Sieht das Finanzamt den Einspruch als unbegründet an, erlässt es eine entsprechende Einspruchsentscheidung. Hiergegen kann dann innerhalb von einem Monat ab Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung beim Finanzgericht Klage erhoben werden.

Entscheidet das Finanzamt über den vom Steuerpflichtigen erhobenen Einspruch ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht in angemessener Frist, kann ausnahmsweise auch schon vor Abschluss des Einspruchsverfahrens Klage erhoben werden (Untätigkeitsklage). 

Zum Ablauf des Verfahrens.


Wie läuft ein Verfahren beim Finanzgericht ab?


Ist die Klage beim Gericht eingegangen, erhält die Klägerin bzw. der Kläger eine Eingangsbestätigung und das zugehörige Aktenzeichen und wird gebeten, die Klage – sollte dies noch nicht geschehen sein – zu begründen. Nach Zustellung der Klageschrift an das beklagte Finanzamt bzw. an die Familienkasse, prüft und ermittelt das Gericht alle für den Ausgang des Klageverfahrens relevanten Tatsachen und Umstände von Amts wegen. Diese Pflicht zur Amtsermittlung bedeutet, dass das Gericht sowohl für den/die Kläger/in- als auch für die Beklagtenseite alle begünstigenden und belastenden Umstände erforscht. So lässt es sich etwa die Akten und Unterlagen zusenden, die es für seine Entscheidungsfindung für nötig erachtet, und fordert die Beteiligten auf, sich zu bestimmten Punkten zu äußern. Es kann einen Erörterungstermin anberaumen, um den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten zu besprechen, es kann schriftliche Hinweise erteilen oder sogleich einen Termin für die mündliche Verhandlung bestimmen. Das Gericht ist grundsätzlich nicht an das gebunden, was die Beteiligten vortragen, sondern ermittelt alle erheblichen Fakten von Amts wegen. Natürlich hat jeder Beteiligte Gelegenheit, sich zu allen relevanten Punkten des Falles zu äußern und die Gerichts- und Verwaltungsakten einzusehen.

Zum Ablauf des Verfahrens.


Muss ich eine Prozessbevollmächtigte oder einen Prozessbevollmächtigten haben?


Nein, ein Verfahren vor dem Finanzgericht kann jeder Bürger ohne professionelle Hilfe einleiten und betreiben. Es besteht kein Vertretungszwang. Selbstverständlich können Sie die Hilfe insbesondere eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers in Anspruch nehmen. Die Entscheidung, ob Sie sich vertreten lassen oder das Verfahren selbst führen, müssen allerdings Sie selbst treffen. Bei einer Prozessvertretung erfolgt die Kommunikation ausschließlich über den Prozessbevollmächtigten.


Wer entscheidet beim Finanzgericht?


In der Regel wird über ein Klageverfahren aufgrund einer mündlichen Verhandlung entschieden, zu der Sie und das Finanzamt bzw. die Familienkasse rechtzeitig geladen werden. In vielen Verfahren vor dem Finanzgericht werden die Beteiligten allerdings zunächst von der Berichterstatterin oder vom Berichterstatter, der/dem nach dem internen Geschäftsverteilungsplan zuständigenRichterin/ Richter, zu einem sog. Erörterungstermin geladen. Der Erörterungstermin dient vor allem der Aufklärung des mitunter schwierigen Sachverhalts und der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits. Sobald Sie zu einem Erörterungstermin oder zur mündlichen Verhandlung geladen werden, wird das Gericht Ihnen weiteren Informationen zusenden. Oftmals endet das Verfahren in einem solchen Termin ohne eine richterliche Sachentscheidung, weil eine einvernehmliche Lösung erreicht werden kann, die Klägerseite ihre Klage zurücknimmt oder weil die Behörde unter dem Eindruck des Verlaufs des Termins (evtl. auf den Hinweis des Gerichtes) dem Klagebegehren stattgibt. Gegen die Urteile des Finanzgerichts können die Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision oder die im Urteil zugelassene Revision an den Bundesfinanzhof in München eingelegt werden.


Welche Anträge muss ich stellen?


Welche Anträge gestellt werden müssen, hängt vom Einzelfall ab. Allerdings ist das Gericht verpflichtet, auf die Stellung sachgerechter Anträge hinzuwirken, d.h. die Beteiligten bei der Stellung der Anträge zu unterstützen.


Erhalte ich vom Gericht schon vor einer Entscheidung Hinweise?


Häufig weist das Gericht während des Verfahrens schriftlich oder im Rahmen eines Erörterungstermins auf die aus seiner Sicht streiterheblichen Punkte hin. Es wird – soweit es dies für erforderlich hält – auch versuchen, den Sachverhalt aufzuklären bzw. fehlende Unterlagen anzufordern. Die Verfahrensbeteiligten haben zwar keinen Anspruch auf Durchführung eines Erörterungstermins, können die Durchführung eines solchen Termins aber anregen.


Kann ich Akteneinsicht bekommen?


Die Verfahrensbeteiligten haben im finanzgerichtlichen Verfahren einen Anspruch auf Akteneinsicht. Dieser umfasst die finanzgerichtlichen Akten und die vorgelegten Akten des Finanzamtes bzw. der Familienkasse sowie vom Gericht beigezogene sonstige Akten. Die Akteneinsicht erfolgt beim Finanzgericht oder im Finanzamt bzw. in der Familienkasse. Es kann auch beantragt werden, die Akteneinsicht in einer für den Kläger besser erreichbaren Behörde durchzuführen. Ein Anspruch auf Übersendung der Akten in die Büroräume des Prozessbevollmächtigten besteht dagegen nicht. Soweit die Behördenakten elektronisch vorliegen (insbesondere Kindergeldakten) und die Kommunikation mit der Klägerseite elektronisch erfolgt, kommt eine Online-Akteneinsicht in einem Portal in Betracht.


Muss ich die Steuer zahlen, obwohl ich Klage erhoben habe?


Ja, grundsätzlich muss die festgesetzte Steuer gezahlt werden. Man kann aber beim Finanzamt beantragen, dass die Vollziehung des Bescheides ausgesetzt wird. Hat der Antrag Erfolg, muss zunächst nicht gezahlt werden. Hat der Antrag keinen Erfolg, kann beim Finanzgericht ein Aussetzungsantrag gestellt werden. Das Aussetzungsverfahren ist ein sog. Eilverfahren, in dem aufgrund einer summarischen Prüfung eine vorläufige Regelung getroffen wird. Sollte die Klägerin bzw. der Kläger mit ihrer/seiner Klage nicht oder nicht in vollem Umfang erfolgreich sein, wird der ausgesetzte und schließlich zu zahlende Betrag verzinst.


Was kostet ein Verfahren?


Die Höhe der Gerichtsgebühren hängt von der Höhe des Streitwertes und dem Verlauf des Verfahrens ab. Nach Einreichung der Klage muss grundsätzlich jede Klägerin bzw. jeder Kläger zunächst einen „Gebührenvorschuss“ bezahlen. Dieser wird für Klagen, die ab dem 16.7.2014 eingehen, nach dem tatsächlichen Streitwert bemessen, wenn dieser sich unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten oder aus dem Klageschriftsatz ergibt. Der Streitwert ist das finanzielle Interesse des/der Kläger/s/der Klägerin an dem Rechtsstreit. In den überwiegenden Verfahren ist dies grundsätzlich der Unterschiedsbetrag zwischen der vom Finanzamt festgesetzten und der von der Klägerin oder dem/den Kläger für zutreffend gehaltenen Steuer. Ist der Streitwert aus der Klageschrift nicht erkennbar oder zu Beginn des Verfahrens noch nicht ermittelbar, wird der sogenannte Mindeststreit in Höhe von 1.500 EUR, außer bei Streitigkeiten über Kindergeld, zugrunde gelegt. Der Vorschuss für die ab dem 01.01.2021 erhobenen Klagen 312 EUR. Für alle anderen Anträge/Eingaben wird kein Gebührenvorschuss erhoben.


Ein Verfahren vor dem Finanzgericht kostet - im Unterschied zum kostenfreien Einspruchsverfahren beim Finanzamt oder Familienkasse - Geld. Fällt das Gericht seine Entscheidung, befindet es auch darüber, wer von den Prozessgegnern/Beteiligten die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Als Faustformel gilt: Wer mit seiner Klage bzw. vorläufigen Rechtsschutzgesuch (Antrag) unterliegt, muss auch für die gesamten Kosten des Verfahrens aufkommen. Gewinnen die Klägerin/Antragstellerin oder der Kläger/Antragsteller den Prozess, so hat in der Regel die Behörde die Kosten des Verfahrens zu tragen. Ausnahmsweise kann aber auch der „Gewinner“ des Verfahrens zur Kostentragung verpflichtet werden, z.B. wenn der Klageerfolg darauf beruht, dass die entscheidenden Unterlagen oder Beweismittel erstmals im Klageverfahren vorgelegt wurden, der Prozess somit hätte vermieden werden können.  


Nach Abschluss des Verfahrens wird der zutreffende Streitwert ermittelt. Bei strittigen Beträgen bis 1.500 € wird der sogenannte Mindeststreitwert angesetzt, bei Rechtsstreitigkeiten über Kindergeldangelegenheiten der tatsächlich strittige Betrag. Die Höhe des Streitwerts wird durch den Urkundsbeamten des Gerichts ermittelt.


Die Kosten eines finanzgerichtlichen Verfahrens setzen sich zusammen aus den Gerichtskosten und den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (z.B. persönliche Auslagen, Rechtsanwalts-oder Steuerberaterkosten) einschließlich der Kosten des Vorverfahrens (§ 139 Abs. 1 FGO). Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind jedoch nicht erstattungsfähig (§ 139 Abs. 2 FGO). Die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) belaufen sich bei Klageverfahren, die durch Urteil oder Gerichtsbescheid entschieden worden sind, auf eine 4fache Verfahrensgebühr, bei einer einvernehmlichen Lösung und der darauffolgenden Erledigung des Verfahrens oder bei einer Klagerücknahme (vor einer gerichtlichen Entscheidung) reduzieren sich die Gerichtsgebühren in der Regel um die Hälfte. In (Antrags-) Verfahren über einen vorläufigen Rechtsschutz werden 2 Verfahrensgebühren erhoben, im Einigungsfall oder bei Antragrücknahme werden die Gebühren auf 0,75 reduziert. In finanzgerichtlichen Verfahren sind zusätzlich die tatsächlich entstandenen Auslagen des Gerichts, also Aufwendungen, die während des Prozesses anfallen, wie beispielsweise Zustellauslagen, Entschädigungen für Zeugen oder Sachverständige sowie notwendige Dolmetscher etwaige Gutachtenkosten zu berücksichtigen.


Nach Abschluss des Verfahrens werden die endgültigen Gerichtskosten ermittelt, festgesetzt und mit dem bezahlten „Gebührenvorschuss“ verrechnet.


Im Falle des kostenrechtlichen Obsiegens werden die von der unterliegenden Partei dem obsiegenden Beteiligten zu erstattenden Aufwendungen nach Antrag durch den Urkundsbeamten des Gerichts festgesetzt.


Die Kostenrechnungen des Finanzgerichts werden im Falle einer Prozessvertretung stets an die/den jeweiligen Prozessbevollmächtigten bekanntgegeben.


Prozesskostenhilfe


Kläger(innen) und Antragsteller(innen), die nicht in der Lage sind, die Kosten des Verfahrens zu tragen, können Prozesskostenhilfe beantragen. Wird der Prozesskostenhilfeantrag mit der Klage gestellt, muss auch die vorläufige Gebühr zunächst nicht gezahlt werden.